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Pflegende Angehörige übernehmen in Österreich einen Großteil der Betreuung von Menschen mit Pflegebedarf. Rund 80 Prozent aller Pflegebedürftigen werden laut Sozialministerium zuhause versorgt, größtenteils durch Familienmitglieder. Dennoch bleibt diese Leistung meist unsichtbar und rechtlich nur begrenzt anerkannt. Der folgende Artikel beleuchtet, ob pflegende Angehörige künftig angestellt werden könnten, welche rechtlichen und finanziellen Veränderungen dies bedeuten würde und welche Impulse aktuelle Studien und politische Diskussionen liefern.
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Pflegende Angehörige – Eine tragende Säule
In Österreich leben rund 1,5 Millionen Menschen mit Pflegebedarf. Etwa 80 Prozent von ihnen werden zuhause betreut: Eine Aufgabe, die überwiegend Angehörige übernehmen. Laut Daten des Sozialministeriums leisten rund 947.000 Personen in Österreich regelmäßig unbezahlte Pflegearbeit. Diese Personen übernehmen nicht nur körperlich fordernde Aufgaben wie Körperpflege, Mobilisation und Medikamentengabe, sondern auch organisatorische Tätigkeiten wie Terminvereinbarungen, Behördenwege oder die Koordination professioneller Dienste.
Die zeitliche Belastung ist enorm. Viele pflegende Angehörige investieren laut Arbeiterkammer über 40 Stunden pro Woche in die Betreuung. Damit entspricht ihr Einsatz in vielen Fällen einer Vollzeitstelle. Trotz dieser hohen Leistung erhalten sie in der Regel keine finanzielle Entlohnung im arbeitsrechtlichen Sinne. Zwar steht der pflegebedürftigen Person Pflegegeld zu, dieses ist jedoch zweckgebunden und reicht selten aus, um professionelle Dienste zu finanzieren oder pflegende Angehörige angemessen zu entlasten.
Schätzungen des Österreichischen Komitees Sozialer Arbeit aus dem Jahr 2008 zufolge entspricht der Wert informeller Pflegeleistungen in Österreich jährlich rund 3 Milliarden Euro. Das ist eine Summe, die das Gesundheitssystem in dieser Form nicht tragen könnte. Dennoch bleibt die Pflege durch Angehörige oft unsichtbar und gesellschaftlich unterbewertet, obwohl sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Versorgungssicherheit leistet.
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Pflegende Angehörige – Rechtliche Grundlagen
Pflegende Angehörige erhalten in Österreich derzeit keine formale Anstellung, sondern bewegen sich rechtlich im Bereich der informellen Pflege. Die Betreuung erfolgt freiwillig und auf privater Basis, ohne arbeitsvertragliche Absicherung, ohne Entgelt und mit eingeschränktem sozialversicherungsrechtlichem Schutz.
Ein zentrales Instrument der Unterstützung ist das Pflegegeld, das in sieben Stufen vergeben wird und Stand 2024 zwischen 175,00 Euro (Stufe 1) und 2.061,80 Euro (Stufe 7) monatlich beträgt. Es wird jedoch ausschließlich an die pflegebedürftige Person ausbezahlt, nicht an die Pflegende. Die Verwendung bleibt grundsätzlich frei, eine Zweckbindung zur Entlohnung pflegender Angehöriger besteht nicht.
Zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege existieren gesetzlich verankerte Möglichkeiten wie die Pflegekarenz und Pflegeteilzeit. Angehörige können dadurch ihre Arbeitszeit vorübergehend reduzieren oder vollständig aussetzen. Während dieser Zeit steht ihnen unter bestimmten Bedingungen ein Pflegekarenzgeld zu, das sich an der Höhe des Arbeitslosengeldes orientiert. Allerdings ist diese Regelung auf maximal drei Monate begrenzt und setzt ein bestehendes Arbeitsverhältnis voraus. Viele pflegende Angehörige fallen daher durch das Raster.
Auch hinsichtlich der Pensionsversicherung zeigt sich ein Defizit. Nur wer mindestens 25 Wochenstunden Pflege leistet und bestimmte Voraussetzungen erfüllt, kann eine Mitversicherung bei der Pensionsversicherung beantragen. Diese Mitversicherung erfolgt durch das Sozialministeriumservice, jedoch nur auf Antrag und nach Prüfung der individuellen Pflegesituation. Eine automatische Absicherung besteht nicht.
Was fehlt, ist eine arbeitsrechtlich abgesicherte, entlohnte Form der Pflegearbeit innerhalb der Familie. Ohne Anstellung haben pflegende Angehörige keinen Anspruch auf Urlaub, Lohnfortzahlung bei Krankheit oder arbeitsrechtlichen Schutz.
Anstellung von pflegenden Angehörigen
Die Frage, ob pflegende Angehörige in Österreich angestellt werden könnten, ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Ein zentrales Argument für eine Anstellung besteht in der finanziellen und sozialen Absicherung jener Menschen, die über Jahre hinweg pflegerische Tätigkeiten übernehmen, jedoch ohne arbeitsrechtlichen Status bleiben. Eine 2022 veröffentlichte Studie des SORA-Instituts im Auftrag der Arbeiterkammer Wien bietet hierzu wichtige Erkenntnisse.
Ziel der Studie war es, das Potenzial und die Umsetzbarkeit einer Anstellung pflegender Angehöriger zu analysieren. Die Untersuchung basiert auf qualitativen Interviews sowie einer quantitativen Online-Befragung mit rund 1.000 Personen in Österreich. Die Ergebnisse zeigen, dass 73 Prozent der Befragten sich grundsätzlich für die Möglichkeit einer Anstellung aussprechen. Besonders Befragte mit Pflegeerfahrung begrüßen dieses Modell. Die größten Erwartungen betreffen finanzielle Absicherung, soziale Anerkennung und bessere rechtliche Rahmenbedingungen.
Doch es gibt auch Herausforderungen. Der administrative Aufwand müsste Kontrolle der erbrachten Leistungen, Qualitätssicherung und Finanzierung umfassen. Kritiker weisen zudem auf die Gefahr hin, dass ein Anstellungsmodell die familiäre Beziehung formalisiere und unter Umständen neue Belastungen schaffe. Auch rechtliche Fragen zur Rolle von Angehörigen als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sind bislang ungeklärt.
International existieren bereits vergleichbare Modelle. In Deutschland beispielsweise ermöglicht die sogenannte Verhinderungspflege eine temporäre Entlohnung von Angehörigen. In einigen schwedischen Kommunen besteht die Möglichkeit, pflegende Angehörige anzustellen. Die Regelungen variieren jedoch stark und sind an spezifische Bedingungen geknüpft. Diese Beispiele zeigen, dass eine rechtlich geregelte Anstellung möglich ist. Sie erfordert jedoch klare gesetzliche Rahmenbedingungen und eine stabile Finanzierung.
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Pflegende Angehörige – Wie geht es weiter?
Die Forderung nach einer Anstellung pflegender Angehöriger hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Gewicht gewonnen. Organisationen wie die Arbeiterkammer Wien fordern seit Langem eine rechtliche Anerkennung der pflegenden Tätigkeit im familiären Umfeld und sprechen sich klar für die Schaffung eines Anstellungsmodells aus.
Auch auf politischer Ebene gibt es erste Impulse. So wurde im Rahmen der Pflege-Reform 2022 angekündigt, dass pflegende Angehörige stärker unterstützt werden sollen. Konkrete Maßnahmen zur Anstellung fehlen jedoch bislang. Das Sozialministerium betont die Bedeutung informeller Pflege, verweist aber auf den hohen Umsetzungsaufwand einer arbeitsrechtlichen Lösung und sieht derzeit primär in finanziellen Unterstützungsleistungen den praktikableren Weg.
In den politischen Debatten zeigt sich ein Spannungsfeld zwischen sozialer Anerkennung und ökonomischer Machbarkeit. Während Befürworter die Entlastung professioneller Pflegestrukturen und die soziale Absicherung der Angehörigen betonen, warnen Gegner vor hohen Kosten und einem potenziellen Missbrauch von Fördermitteln. Auch rechtliche Aspekte wie Arbeitnehmerschutz, Haftungsfragen und Mitbestimmung müssten geklärt werden.
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